„Zur kulturellen Codierung von Hautfarben in der Frühen Neuzeit“ spricht Prof. Dr. Peter Burschel (Wolfenbüttel) am Montag, 17. Oktober 2016, im Forschungszentrum Gotha der Universität Erfurt. Beginn ist um 18:15 Uhr im Seminarraum des „Pagenhauses“ auf Schloss Friedenstein, der Eintritt ist frei. Alle Interessierten sind herzlich willkommen.
Im Mittelpunkt des Vortrags steht ein 1650 erschienenes Buch des gelehrten sephardischen Rabbi Menasseh ben Israel, der in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Amsterdam lebte und lehrte: „Miqweh Israel“, „The Hope of Israel“. Das Buch verweist auf Gespräche, die der Rabbi mit Antonio de Montezinos geführt hatte, einem Juden iberischer Herkunft, der 1644, von einer Südamerika-Reise kommend, in Amsterdam eingetroffen war und dort berichtete, er sei in den Anden auf Nachfahren der zehn verlorenen Stämme Israels gestoßen. Menasseh ben Israel ergänzte den Bericht um gleich oder ähnlich lautende Nachrichten und kam zu dem Schluss, dass es keinen Zweifel geben könne: Jene Menschen in den Anden seien in der Tat Nachfahren der zehn verlorenen Stämme Israels, die ihre alten Tugenden, zumindest Reste der hebräischen Sprache, ihre Sitten und Riten, vor allem aber ihr Aussehen in der Abgeschiedenheit der Berge bewahrt hätten. Der Beitrag versucht vor diesem Hintergrund der Frage nachzugehen, wie in der Frühen Neuzeit eine weit zurückreichende kulturelle bzw. religiöse und ethnische Kontinuität – als exklusive Identität – glaubwürdig gemacht werden konnte und was die Glaubwürdigkeit dieser Kontinuität als Identität garantierte. Seine Antwort lautet, dass es ausschließlich die weiße Hautfarbe der vermeintlichen Hebräer war, die im 17. Jahrhundert eine „reine“ kulturelle Reproduktion unhintergehbar erscheinen ließ.
Peter Burschel ist Historiker und Historischer Anthropologe. Seit 2016 ist er Inhaber des Lehrstuhls für Kulturgeschichte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit an der Georg-August-Universität Göttingen und Direktor der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel.
Abbildung: Porträt Rabbi Menasseh ben Israel, ca. 1630 via Wikimedia Commons