Tagung: Duldung religiöser Vielfalt – Sorge um die wahre Religion. Toleranzdebatten in der Frühen Neuzeit

Montag, 22. bis Mittwoch, 24. Juli 2013, Forschungsbibliothek Gotha, Schloss Friedenstein, 99867 Gotha, Konferenzzimmer

Veranstalter:

Tagung der Forschungsbibliothek Gotha in Zusammenarbeit mit der Philipps-Universität Marburg und dem Forschungszentrum Gotha, gefördert vom Thüringer Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur

Leitung: Prof. Dr. Winfried Schröder (Marburg), Dr. Sascha Salatowsky (Gotha)

 

Duldung religiöser Vielfalt – Sorge um die wahre Religion. Toleranzdebatten in der Frühen Neuzeit.

Die Ausdifferenzierung des Christentums in verschiedene Konfessionen und Sekten im Verlauf des 16. Jahrhunderts ließ eine Frage akut werden, die auch mit dem Westfälischen Frieden von 1648 keiner endgültigen politischen bzw. religiösen Lösung zugeführt werden konnte: Dürfen Andersgläubige und Häretiker in einem christlichen Gemeinwesen geduldet werden? Während die Forschung diese Frage im Blick auf die Debatten nach der Hinrichtung des Antitrinitariers Michel Servet in Genf zwischen Sebastian Castellio, Johann Calvin und Theodor Beza wie auch im Blick auf die Frühaufklärer Baruch de Spinoza, Pierre Bayle und John Locke wiederholt untersucht hat, liegen für den dazwischenliegenden Zeitraum von ca. 1580 bis 1670 kaum tiefergehende Studien vor. Diese als konfessionelles Zeitalter beschriebene Epoche markiert jedoch den Diskursrahmen, der auch noch für die Frühaufklärung relevant gewesen ist.

Genau an diesem Punkt setzt die Tagung mit ihrem interkonfessionellen und -religiösen Vergleich des Toleranzgedankens in der Frühen Neuzeit an. Ziel ist es, die konfessionellen und religiösen Differenzen herauszuarbeiten und die Umbrüche in den Blick zu nehmen, die der religiöse und gesellschaftliche Wandel im Verlauf des 17. Jahrhunderts bewirkt hat. Im Einzelnen ist zu fragen: Wie begründeten die etablierten Konfessionen ihre Positionen, die in der Regel keine Toleranz vorsahen oder diese doch eng begrenzten? Welchen Faktor spielte dabei der aus theologischer Sicht grundlegende Aspekt der Sorge um die wahre Religion (cura religionis)? Wie wirkten sich die jeweiligen politischen Verhältnisse auf die Toleranzdiskussionen aus? Welche Argumente brachten die Randgruppen und Dissidenten für ihre Forderung nach einer allgemeinen Toleranz vor? Schloss diese Duldung auch die anderen Religionen wie das Judentum und den Islam mit ein? Wie stellte man sich zum Skandalon eines möglichen Atheismus? Bei diesen Fragen ist zu beachten, dass die Toleranzfrage nicht nur von Theologen in ihren dogmatischen Hauptwerken diskutiert worden ist, sondern ebenso von Philosophen, Juristen, Politikern und Staatsrechtlern. Eine wesentliche Frage ist daher, ob das Thema in der Theologie anders verhandelt wurde als z.B. in Politik und Jurisprudenz. Die Tagung will diese unterschiedlichen Zugänge aufnehmen und Theologen, Philosophen, Juristen, Politiker, Historiker miteinander ins Gespräch bringen.

Anmeldung wird bis zum 28. Juni 2013 per Mail an sascha.salatowsky(at)uni-erfurt.de erbeten.

Flyer zur Tagung

Tagungsprogramm / Conference programme

Montag, 22. Juli 2013

Beginn der Tagung / Start of Conference: 13.15 Uhr

13.15 Grußwort: Kathrin Paasch, Leiterin der Forschungsbibliothek Gotha

13.20 Begrüßung Sascha Salatowsky / Winfried Schröder

13.30 Winfried Schröder: Zur Einführung: Tolerantia – libertas religionis – cura religionis

1. Sektion: Grenzen der Toleranz / Limits of Toleration

14.00 John Marshall (The Johns Hopkins University, Baltimore): Islam, toleration and intolerance in the sixteenth and seventeenth centuries

14.45 Walter Sparn (Erlangen): In wessen Interesse ist religiöse Toleranz? Die Entwicklung zwischen Johann Gerhard und Theophil Lessing

16.00 Kestutis Daugirdas (Leibniz-Institut für Europäische Geschichte Mainz): Toleranz aus der Perspektive der Remonstranten und ihrer reformierten Kontrahenten

16.45 Lukasz Bieniasz (University of Wroclaw): Ohne Scheiterhaufen, aber mit Henkern. Die Jesuiten und die Dissidentenfrage in der Adelsrepublik Polen-Litauen im 16. und 17. Jahrhundert

18.15 Öffentlicher Abendvortrag: Jan Assmann (Konstanz): Monotheismus und Intoleranz

Dienstag, 23. Juli 2013

2. Sektion: Dissidenten und Randgruppen / Dissidents and Marginal Groups

9.00 Sascha Salatowsky (Forschungsbibliothek Gotha): Die drohende Gefahr des Atheismus. Die Sozinianer Crell und Przypkowski und die möglichen Folgen von Intoleranz

9.45 Justin Champion (University of London): “Private men, no pulpit men“: Socinian arguments for the freedom of biblical interpretation in the English Revolution

11.00 Friedrich Vollhardt (Ludwig-Maximilians-Universität München): Toleranz-Diskurse der Frühen Neuzeit. Von der spiritualistischen Kirchenkritik in der Reformationszeit bis zu Lessings Nathan der Weise

3. Sektion: Nationale Varianten des Toleranzdiskurses / National Variants of Debates on Toleration

11.45 Jens Glebe-Møller (Kopenhagen): Kommerz versus Theologie im dänischen Gesamtstaat

14.00 Führung durch die historischen Räume der Forschungsbibliothek Gotha

15.00 Wiep van Bunge (Erasmus Universiteit Rotterdam): Tolerating Turks? Muslims and the Islam in the Dutch Republic

15.45 Ulrich Niggemann (Philipps-Universität Marburg): Die Anglikanische Kirche und die Herausforderung der Toleranz, 1662-1718

17.00 John Christian Laursen (University of California, Riverside): The case for toleration in Felipe Guaman Poma de Ayala’s „El Primer nueva coronica y buen gobierno“ (1614)

17.45 Mona Garloff (Universität Stuttgart): Toleranz versus Reunion – religiöse und politische Friedensvorstellungen in Frankreich um 1600

Mittwoch, 24. Juli 2013

4. Sektion: Juristische und sozialgeschichtliche Aspekte / Legal and Social-historical Aspects

9.00 Wolfgang Forster (Eberhard Karls Universität Tübingen): Die Toleranzgarantie für englische Kaufleute im spanisch-englischen Friedensvertrag von 1604

9.45 Harald Stockert (Stadtarchiv Mannheim): „Ein öffentliches Asyl für alle Völker und Nationen“ – Beobachtungen zu Mannheim in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts

11.00 Alexander Schunka (Forschungszentrum Gotha der Universität Erfurt): Sind Migranten toleranter? Forderungen nach religiöser Freistellung und konfessionelle Migrationen im ‚langen‘ 17. Jahrhundert

11.45 Abschlussdiskussion

12.30 Ende der Tagung

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