Die von Riccarda Suitner, Alumna der Universität Erfurt, 2016 vorgelegte Dissertation über „Die philosophischen Totengespräche der Frühaufklärung“ ist nun auch auf Italienisch bei Edizioni ETS erschienen. Die Arbeit basiert auf intensiven Recherchen in der Forschungsbibliothek Gotha und wurde von Prof. Dr. Martin Mulsow betreut.
Das Buch rekonstruiert erstmals die faszinierende Geschichte einer Reihe fiktiver Totengespräche, die zwischen 1729 und 1734 – anonym oder unter Pseudonym und sämtlich als Flugschriften veröffentlicht – in Deutschland erschienenen sind. Die Protagonisten dieser Gespräche gehören zu den berühmtesten Denkern der Frühaufklärung (u. a. Chr. Thomasius, A. H. Francke, J. Fr. Budde, N. H. Gundling) und Philosophen des 17. Jahrhunderts (Descartes, Leibniz, Bekker). In den fünf Jahren, in denen die Dialoge erschienen, lösten sie auf verschiedenen Feldern (philosophischen, theologischen, ökonomischen, persönlichen) scharfe Kontroversen aus. Die Wechselbeziehungen zwischen allen Texten und häufig sogar ihre Existenz waren bis dato jedoch völlig unbekannt.
Die Arbeit weist die Zuordnung der untersuchten Dialoge zu einem einzigen, einheitlichen Korpus von Totengesprächen nach, rekonstruiert ihre Genese, interpretiert die in den Gesprächen inszenierten Kontroversen, widerlegt die – lange angenommene – Verfasserschaft des sächsischen Journalisten David Fassmann und versucht, dem Umfeld der Autoren anonymer philosophischer Flugschriften auf die Spur zu kommen. Die Integration von gewöhnlich getrennten Forschungsfeldern (clandestine Literatur, Anonymität, Flugpublizistik, philosophischer Dialog) und die Aufmerksamkeit für Kreise, die sich „am Rande“ des universitären Establishments befanden, eröffnen neue Perspektiven auf die Debatten und Strömungen der deutschen Frühaufklärung.
2019 wurde ihre Dissertation mit dem Preis Geisteswissenschaften International – Preis zur Förderung der Übersetzung geisteswissenschaftlicher Werke der Fritz Thyssen Stiftung, der Verwertungsgesellschaft Wort, des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels und des Auswärtigen Amts ausgezeichnet. Die englische Übersetzung ist in Arbeit.
Riccarda Suitner hat an der Universität “La Sapienza” in Rom und an der Universität zu Köln Philosophie und Geschichte studiert. Sie war Herzog-Ernst-Stipendiatin sowie Stipendiatin der Graduiertenschule „Religion in Modernisierungsprozessen“ und später wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max-Weber-Kolleg der Universität Erfurt. Derzeit arbeitet sie am Deutschen Historischen Institut Rom.
Zur Verlagsseite Edizioni ETS: I dialoghi dei morti del primo Illuminismo tedesco
Zur Verlagsseite Meiner: Die philosophischen Totengespräche der Frühaufklärung